Startseite Christian Sywottek Texte - Wirtschaft, Reise und Gesellschaft Vita Christian Sywottek, Journalist
Texte Wirtschaft Texte Reise Texte Gesellschaft

brand eins, April 2008                                                                                                      zurück zur Übersicht

Das Nullsummenspiel

Flüge, Handys, Konten - vieles gibt es scheinbar gratis. In der Geschenkwirtschaft.
Doch die kommt Kunden oder Unternehmen früher oder später teuer zu stehen.

Was für ein Wahnsinnspreis! Von Bremen nach Venedig fliegen für nur 2,99 Euro. Mit Ryanair.

Ein paar Klicks später summiert sich der Preis inklusive Steuern und Gebühren, den Kosten für einen mittelschweren Koffer und der Abfertigung am Flughafen auf 43,31 Euro. Immerhin das 15-fache des ursprünglich angegebenen Preises.

Ein übler Trick? Oder einfach ein cleveres Geschäftsmodell? Kommt darauf an, wen man fragt. Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg sagt: "Das geht gar nicht." Denn: "Marktwirtschaft heißt ja auch, dass Verbraucher Preise vergleichen können. Wenn Preise aber aufgespalten werden in Gebühren und Ähnliches, dann ist das nicht mehr möglich."

Für Michel Clement, Marketing-Professor an der Universität Hamburg, ist die Sache weniger eindeutig. "Das hängt wohl von der Wahrnehmung des Kunden ab", sagt er vorsichtig. Und weist darauf hin, dass Ryanair eine Auslastungsquote von 80 Prozent hat - das ist Spitze. Die Lufthansa mit ihrem transparenteren Preissystem schaffte im vergangenen Jahr 76 Prozent.

Eigentlich müsste jedem Kunden klar sein, dass er nichts geschenkt bekommt. Trotzdem überschlagen sich Anbieter mit Billigangeboten, Rabatten und Kostenlos-Offerten. Der Flug für 2,99 Euro, das Topf-Set für ein Viertel des Ursprungspreises, Handys für einen Euro, kostenlose Girokonten und die Anlageberatung gratis obendrauf. "Derartige Angebote nehmen zu", sagt Konrad Weßner, Geschäftsführer der Puls Marktforschung in Schwaig. "Ein typisches Zeichen für gesättigte Märkte. Marketingbudgets werden umgeschichtet in die Subventionierung von Produkten. All diese Einstiegsangebote haben nur ein Ziel: Sie sollen die Produkte weniger vergleichbar machen."

Warum ist den Kunden das offensichtlich egal? "Die Leute sind nicht rational", sagt die Verbraucherschützerin Castello. Sie jagen den Schnäppchen hinterher wie der Hund der Wurst. Und stabilisieren so ein System, bei dem sie am Ende selbst draufzahlen. Oder der Verkäufer. Oder der Hersteller. Oder alle zusammen.

Beispiel Handel. "Wir erleben eine Inflation an Rabatten", sagt Markus Preißner vom Institut für Handelsforschung (IfH) in Köln. Den Händlern bleibe nichts anderes übrig, als die Preise zu senken. "Kunden sind Gewohnheitstiere, und der Handel hat sie zur Rabattjagd erzogen. Zudem ist Preiswettbewerb ein einfacher Wettbewerb. Da muss der Händler nicht viel überlegen."

Es muss sich nur für ihn rechnen. Deshalb werden oft Rabatte offeriert, die keine sind, weil der Handel Fantasiepreise zugrunde legt, die vor der Rabattierung niemals ernsthaft gefordert wurden. Hinzu kommen die Tücken der Psychologie. Jeder zweite Rabattkunde kauft auch Produkte außerhalb des Sonderangebots - die mitunter zuvor extra verteuert wurden. Ein Nullsummenspiel. Trotzdem glauben fast 60 Prozent der Schnäppchenjäger, sie hätten gespart.

Der Rabatt wirkt wie eine Droge: Er macht zunächst glücklich und dann süchtig

Die anderen Spieler schneiden noch schlechter ab. Der verzogene Kunde zwingt die Händler immer tiefer in die Rabattschlacht. Und langsam sinken die Kämpfer zu Boden. "Handelsunternehmen haben in Deutschland eine Umsatzrendite von vielleicht zwei Prozent", sagt Thomas Harms von der Unternehmensberatung Ernst & Young.

Den Druck reicht der Handel gern weiter an die Hersteller, die auf die Preisgestaltung kaum Einfluss haben. Aus Verzweiflung kaufen sie Rabattware mitunter selbst zurück. "Da wird die Vertriebsmannschaft losgeschickt, um die billigen Bohrmaschinen im Baumarkt einzusammeln", sagt Harms. "Schutz genießen nur Top-Marken."

Wenn sie es schlau anstellen. Und zum Beispiel Kompromisse schließen - wie der Kochgeschirrhersteller Fissler. Fissler unterstützt befristete Aktionen, bei Generalrabatten ist das Unternehmen außen vor. Das Kernsortiment wird nicht rabattiert, wohl aber billigere Handelsware. Aktionen werden jährlich geplant. "Ganz ohne Rabatte wäre es besser", sagt der Marketingleiter Stefan Loges, "aber ohne sie kommen wir nicht auf die Aktionsflächen im Kaufhaus. Man muss sich dem Handel beugen."

Oder auch nicht. Wie Miele. "Wir haben seit 108 Jahren keine Preisaktionen", sagt der Firmensprecher Theodor Siepert. "Wir verzichten lieber auf verkaufte Menge, als dass wir das Preisgefüge durcheinanderbringen. Rabatte verärgern die Kunden, die keinen kriegen. Und irgendwann weiß niemand mehr, was ein angemessener Preis für unsere Leistung ist."

Bei Miele gelten die Preise für die Händler ein ganzes Jahr so kann keiner zu einem günstigen Zeitpunkt groß einkaufen und die Ware dann billig verramschen. Regelmäßig recherchiert Miele beim Händler den Bedarf und produziert just in time - es entstehen keine Waschmaschinenhalden, die später billig entsorgt werden müssen. Miele, so die Botschaft, hat seinen Preis.

"Spielereien am Preis sind eine hilflose Antwort der Anbieter auf eine gescheiterte Produkt- oder Markenpolitik", urteilt der Pricing-Experte Mirko Düssel aus Kaarst. Allerdings trügen die Kunden ihren Teil dazu bei. Sie zwängen die Unternehmen mitunter dazu, "sie zu betuppen - und zwar immer dann, wenn andere Argumente nicht mehr ziehen". Solange die Leute keine Lust hätten, über die Qualität eines Produktes und die Frage, wie viel es ihnen wert ist, nachzudenken, werde sich an der Intransparenz durch verschleierte Preise nichts ändern. "Wenn der Kunde keine Ahnung hat, blockiert sein Verstand, sobald er einen scheinbar hohen Preisvorteil sieht."

Das klingt wie eine tolle Nachricht für Unternehmen. Der Kunde ist faul - wer will, kann ihn hinters Licht führen. Fraglich nur, wie lange sich das rechnet. Das lässt sich gut beim Mobilfunk beobachten. Das Rabatt-Modell der vergangenen Jahre stößt an seine Grenzen. Nun werden die Karten neu gemischt.

Seit Einführung des Mobilfunks im Jahr 1992 arbeitet die Branche mit Subventionen. Mobilfunkbetreiber gaben die Handys für einen Euro oder für lau ab. Um den Einkaufspreis wieder einzuspielen, koppelten sie dieses scheinbare Geschenk an Zwei-Jahres-Verträge mit Grundgebühren. Die Netzgebühren waren so hoch, dass die Subventionen fürs Handy in Höhe von bis zu 300 Euro wieder eingespielt wurden.

Das undurchsichtige System funktionierte lange gut. "Die Einstiegshürden waren gering", sagt Axel Freyberg, Telekommunikationsexperte bei der Unternehmensberatung A. T. Kearney. "Dadurch konnte sich der Mobilfunkmarkt schnell entwickeln." Es funktionierte wie beim Ölbaron John D. Rockefeller, der den Chinesen erst Öllämpchen schenkte, um ihnen später das Lampenöl teuer zu verkaufen.

Beim Mobilfunk jedoch wurden die Nutzer zum Problem. Erste Stufe war die Einführung der Prepaid-Handys mit Guthabenkarte zum Abtelefonieren. In der Praxis aber telefonierten viele Kunden ihre Karten nicht leer, kauften also auch keine neuen. Und wenn sie es taten, kauften sie oft nicht die des Netzbetreibers, der ihnen das Handy billig mitgegeben hatte, sondern die Karten eines günstigeren Anbieters. Das subventionierte Handy wurde nicht mehr abbezahlt.

Den Rest erledigte der stärker werdende Wettbewerb der Mobilfunkbetreiber. Der Kampf um bereits versorgte Kunden geht vor allem über den Preis. Mittlerweile kommen auf 100 Deutsche 104 Handys - und die Minutenpreise sanken allein im vergangenen Jahr um 13 Prozent. Discounter bieten billige Telefonverträge, die man mit seinem alten Handy nutzen kann. Das drückt den Umsatz der etablierten Netzbetreiber - bei T-Mobile etwa waren es im vergangenen Jahr 2,7 Prozent weniger, nach einem Umsatzrückgang von 4,7 Prozent im Jahr 2006.

Die Margen geraten unter Druck. "So schnell, wie die Preise fallen, können sie die Kosten gar nicht senken", sagt Axel Freyberg. "Zudem sinken die Preise stärker, als die Datennutzung steigt. Beides ergibt ein Refinanzierungsproblem. Die Subventionen herunterzufahren hilft also enorm. Dann aber muss der Kunde für sein Handy mehr bezahlen. Und das kostet Marktanteile, denn der Kunde ist an billige Handys gewöhnt. Wenn man einmal drin ist in dem Spiel, kommt man kaum wieder raus."

Auf den ersten Blick hat sich an der Subventionspolitik der Netzbetreiber noch nichts geändert. Überall sind Handys für "1 Euro" im Angebot. Doch wer das Kleingedruckte liest, sieht die Unterschiede. Früher verkauften die Mobilfunker grundsätzlich Verträge gekoppelt mit Handys. Heute vertreiben sie Sim-Only-Verträge, also nur die Telefonkarte mit entsprechenden Konditionen. Fast jeder zweite Neukunde entscheidet sich mittlerweile für einen solchen Vertrag.

Wer zusätzlich ein Mobiltelefon haben möchte, muss zuzahlen, je nach Anbieter zwischen 5 und 15 Euro pro Monat. Im Gegenzug gibt's günstigere Gesprächsminuten. Zudem werden immer mehr Minutenpakete geschnürt. Der Punkt dabei: Netzbetreiber können ihre Subventionen besser kalkulieren. Statt wie früher jedes Handy zu subventionieren, bezuschussen sie nun Pakete, die den größten garantierten Umsatz liefern. Wenigtelefonierer gehen leer aus ebenso wie die unsicheren Prepaid-Kunden.

Mit quersubventionierten Produkten Märkte zu erobern ist sehr leicht. Und sehr riskant

Es ist das Ende der traditionellen Mobilfunk-Rabattitis. Die Subventionen haben das Handy in der Wahrnehmung der Kunden entwertet. Ganz auf Subventionen verzichten kann deshalb kein Anbieter. So brachte E-Plus zwar die Anti-Subventionswelle im Jahr 2005 mit seiner Sim-Only-Tochter Simyo erst richtig ins Rollen. Trotzdem führte das Unternehmen bei seinem Flatrate-Angebot "Base" im Jahr 2006 wieder Zwei-Jahres-Verträge mit Handy ein. Und auch in den Tarifen der Wettbewerber finden sich diverse subventionierte Angebote, vor allem, um Kunden von datenintensiven Diensten wie dem mobilen Internet zu überzeugen. Unübersichtliche Verhältnisse.

An denen die deutschen Netzbetreiber selbst schuld sind. Subventionen sind längst nicht überall üblich, in Finnland und Italien etwa gibt es keine. Trotzdem gibt es in Italien mit 120 Handys pro 100 Einwohner eine höhere Mobiltelefon-Dichte als in Deutschland, und die Margen sind besser. Es wäre also auch anders gegangen.

Die Opfer der Handy-Rabattitis dürften am Ende auch die Hersteller sein. "Subventionen waren für uns eine prima Sache", sagt Axel Kettenring, General Manager Deutschland von Sony Ericsson. "Handys waren billig, da wurde bei einem neuen Vertrag schnell ein neues Gerät angeschafft. Das hat sich geändert." Durch den Subventionsabbau werden die Preise für die Mobilfunk-Kunden transparenter.

Entsprechend kleiner wird der Teil, den er für den Kauf der Hardware zu zahlen bereit ist. Das zeigt sich besonders bei den nicht subventionierten Prepaid-Angeboten, die inzwischen fast 50 Prozent des Marktes ausmachen. Hochwertige Handys sind in diesem Segment nur schwer verkäuflich. Aber auch Vertragskunden achten zunehmend auf die Kosten für das Gerät. Deshalb müssen die Netzbetreiber beim Hersteller billiger einkaufen. "Der Subventionsabbau wirkt an allen Gliedern der Kette", sagt Norbert Strixner, Marketingleiter Mobilfunk bei Samsung. "Die Preise sind im Jahr um bis zu 20 Prozent gefallen." Samsungs Umsatz sank, obwohl das Unternehmen mehr Geräte verkaufte.

Strixner eiert nicht herum. "Wir haben uns selbst in diese Lage gebracht, weil wir den Kunden auf billig erzogen haben. Die Netzbetreiber taten uns mit den Subventionen lange einen Gefallen. Mit den Kunden haben sie unsere Innovationen finanziert, ein Segen. Jetzt aber kriegen wir entsprechend Leid zurück."

Ein ganzes Geschäftsmodell ändert sich. Der Hersteller produziert das Handy, der Netzbetreiber verkauft es - dieses bequeme Arrangement kommt ins Wanken. Grund ist der Erfolg der Sim-Only-Verträge. Dafür braucht es nur ein Handy, das man überall kaufen kann. Mit dem Sim-Only-Geschäft wächst auch das Hardware-Only-Geschäft.

Deshalb müssen Hersteller ihre Vertriebswege erweitern. Nokia hat kürzlich einen neuen Onlineshop eröffnet, und auch Norbert Strixner von Samsung sagt, dass sein Unternehmen über neue Vertriebswege nachdenke: "Im Fachhandel und in den Elektromärkten müssen wir noch mehr mitspielen." Samsung will mehr Handys im Billig- und Mittelpreissegment platzieren. Axel Kettenring von Sony Ericsson gibt sich entspannt. " Je seltener die Leute ihr Handy wechseln, umso genauer werden sie auf die Qualität achten. Und da haben wir als Marke eine gute Chance."

Es ist kein Zufall, dass das intransparente Subventionssystem gerade im Mobilfunk an seine Grenzen stößt. Wettbewerb funktioniert auf diesem Markt vor allem über den Preis. Den kann der Kunde leicht verstehen. So entsteht Druck, der zu Veränderung zwingt. Ohne Druck tut sich nichts - das gilt für jeden Markt.

Deshalb halten sich absurde Geschäftsmodelle wie in der deutschen Bankenbranche. Glaubt man der Werbung, hat die viel zu verschenken - etwa Gratis-Girokonten oder Tagesgeldkonten mit tollen Zinsen. Und vor allem: kostenlose Beratung.

Eine Bank, die einem etwas schenkt? Ist's denn möglich? Natürlich nicht. Kostenlose Girokonten und attraktives Tagesgeld sind Lock-Angebote. Wer der Bank treu bleibt und ihr später Aktien, Zertifikate und Fonds abkauft, wird gemolken. Aus Sicht der Bank muss das auch sein, schließlich bleibt nur rund die Hälfte der geköderten Kunden im Haus. Bei den anderen hat die Bank draufgezahlt. Die Verbliebenen zahlen die Zeche.

"Eine Bank legt nur bei einzelnen Geschäften drauf, niemals insgesamt. Sie holt sich alle Geschenke zurück, entweder beim Kunden selbst oder bei einem anderen", sagt Marc Overwien, Geschäftsführer der WSH Deutsche Vermögenscontrolling in Düsseldorf. Er prüft im Auftrag betuchter Kunden die Arbeit der Finanzinstitute. "Kostenlos" ist für Overwien eine Finte. Und "Beratung" eine Farce.

Denn kostenlose Beratung ist nichts anderes als Verkauf. Warum sonst sollte ein Bankangestellter mit einem Kunden reden, der nichts zahlt? "Es gibt tägliche Vorgaben für jeden Berater, und wer sie nicht schafft, muss zum Chef", sagt Overwien. "Im Hintergrund drücken die Aktionäre - eine Bank muss den Kunden kurzfristig auspressen." Also verkauft sie ihm Aktienfonds aus dem eigenen Haus mit hohem Ausgabeaufschlag. Oder Fonds von anderen Anbietern, die sich mit Provisionen und Kickbacks revanchieren. Hinzu kommen die Verwaltungsgebühren.

Später überredet die Bank den Kunden zu einem Fondswechsel, weil dasselbe Spiel dann wieder von vorn losgeht. Vom verwalteten Vermögen behält sie bis zu zwei Prozent Gebühren ein, egal, ob es sich vermehrt oder nicht. Man kann dem Kunden auch noch unsinnige Versicherungen aufschwatzen und Provisionen von mehr als drei Prozent einstreichen.

Kostenlose Bankberatung ist Intransparenz in Extremform, und es ist eindeutig, wer draufzahlt: der Kunde. Warum kann sich dieses System trotzdem halten? Weil beide Seiten, Banken und Kunden, kein Interesse haben, daran etwas zu ändern. "Keine Bank ist an Leistungstransparenz interessiert", sagt Overwien. "Wettbewerb auf diesem Gebiet wird aktiv verhindert. Also gibt es auch keinen." Er stellt Ratings auf über Vermögensverwalter, und selbst von den besten bekommt er böse Anrufe, aus Angst, beim nächsten Mal nicht mehr oben zu stehen. Banker müssen nur gut im Konzert mitspielen, um ihren Schnitt zu machen.

Was im Handel der Teppichhändler, ist im Finanzsektor die Bank. Beim Teppichhändler gibt es traditionell Scheinrabatte, bei der Bank angeblich kostenlose Beratung. Daran sind die Kunden gewöhnt, sie erwarten nichts anderes.

Eine Branche lebt - noch - ganz gut von der intransparenten Preisgestaltung: die Banken

Mit dieser Haltung legen sie selbst die Grundlagen dafür, später über den Tisch gezogen zu werden. Beratung bei komplizierten Bankprodukten ist eine Vertrauensdienstleistung. "Und der deutsche Anleger ist gutgläubig", sagt Overwien. "Kaum einer wechselt die Bank wegen zu hoher Gebühren. Die Leute wollen oft gar nicht, dass die Gebühren explizit ausgewiesen werden. Wenn das indirekt läuft, glauben sie, einen Schnitt zu machen. Offensichtlich wollen sie betrogen werden."

Dabei gäbe es einen Weg zu mehr Transparenz: Beratung gegen Honorar. Doch Banken und Kunden haben sich in eine Sackgasse manövriert. Würden Banken plötzlich Honorar verlangen und dafür die Gebühren offenlegen, brächen ihre Erträge im neuen Wettbewerb ein. Zudem wäre es das Eingeständnis, dass sie vorher ihre Kunden übers Ohr gehauen haben. Auch viele gut gestellte Anleger sind schlichtweg nicht bereit, für Beratung zu zahlen. Unabhängige Finanzberater führen nach wie vor ein Nischendasein. Im größten Verband, dem Verbund Deutscher Honorarberater, betreuen 270 Büros rund 10 000 Privatkunden mit einem Gesamtanlagevolumen von lediglich knapp 700 Millionen Euro.

Der Kunde will nicht, die Bank kann nicht, selbst wenn sie es wollte - transparente Bankleistungen entwickeln sich nicht von selbst. Trotzdem kommt Bewegung in den Markt. Seit November 2007 gilt die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid. Nun müssen Banken und Vermittler sämtliche Kosten, Provisionen und Kickbacks offenlegen - der Schwindel fliegt auf. Noch sträuben sich viele Finanzprofis, doch im Bewusstsein der Verbraucher klickert es, dass es versteckte Kosten überhaupt gibt.

Das bietet Neulingen wie der Quirin Bank eine Chance. Das Geschäftsmodell des ehemaligen Consors-Gründers Karl Matthäus Schmidt ist einfach: Jeder Kunde zahlt eine Flatrate von 75 Euro im Monat. Wer sich zusätzlich bei seinen Anlagen beraten lassen möchte, zahlt zwischen 0,6 oder 1,2 Prozent des Depotvolumens. Wer seine Vermögensverwaltung ganz in die Hände eines Beraters abgeben möchte, zahlt 20 Prozent des jährlichen Gewinns. Bei Verlusten fallen keine Kosten an. Die Bank legt keine eigenen Produkte auf - muss also auch keine in den Markt drücken. Provisionen und Kickbacks anderer Anbieter werden den Kunden gutgeschrieben.

Laut Schmidt lohnt sich das Modell für Kunden ab einer Mindesteinlage von 50 000 Euro. Seit Dezember 2006 hat die Quirin Bank 750 Millionen Euro eingesammelt und betreut nun 1600 Anleger. "Darunter sind viele gebrannte Kinder, die endlich ein klares Verhältnis haben wollen zu ihrer Bank", sagt Schmidt. 10 000 Kunden und eine Summe von 1,8 Milliarden Euro braucht er, damit sich sein Modell langfristig rechnet. Schmidt ist zuversichtlich, er schleppt nicht den Ballast des Betuppens mit sich. "Wir hatten wirklich Glück, dass wir neu anfangen konnten mit einer Bank, die keiner kannte."

Jetzt braucht es nur noch Kunden, die anfangen zu denken.-

zurück zur Übersicht

         Tel.: +49 (0)221 - 92291752, Mobil: +49 (0) 170 - 8132840, E-Mail: mail@sywottek.de Impressum  Christian Sywottek, Journalist