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GEO Special, April 2005                                                                                                  zurück zur Übersicht

Neue Freiheit vor der Haustür

Deutschland wird älter. Und es wird grüner. \ In schrumpfenden
Metropolen, auch anderswo in Europa, entstehen immer mehr Freiflächen, die Platz schaffen für Stadtparks neuen Typs. \ Ihre Gestaltung folgt keinem festgelegten Plan, sondern den Interessen der Anwohner - und der Dynamik der Natur \

Unsere Expedition in die Zukunft beginnt am Augustusplatz, im Zentrum von Leipzig. Wir überqueren den vierspurigen Georgiring und schlagen uns neben der Hauptpost in die Büsche. Schon nach wenigen Schritten reißen die Dornen wilder Rosen an unseren Jacken, schließen sich die Zweige von Birken und Robinien über unseren Köpfen. Der Wildwuchs hat uns verschluckt.

Hier, im Niemandsland zwischen leeren Wohnblocks und verlassenen Fabriken, gibt es weder feste Wege noch Schilder. Wir können nur unserem Expeditionsleiter folgen, der sich unbeirrt durch Matsch und Unkraut bewegt. Bertram Weisshaar, von Beruf "Spaziergangsforscher", führt natur- und abenteuerliebende Besucher durch die Wildnis von Leipzig - durch jene Brachflächen und Spontangrünzonen, die sich überall dort ausbreiten, wo die Stadt selbst schrumpft.

Es sind Räume, die "Gefühle öffnen", wie Weisshaar sagt. Selbst mit Begleitung kann einem unheimlich werden, wenn man sieht, wie schnell die Natur zurückerobert, was der Mensch für längere Zeit ungenutzt liegen lässt. Fast anderthalb Stunden lang begegnet uns kaum eine Menschenseele - außer zwei Polizisten, die misstrauisch nach Weisshaars Ausweis fragen.

Was andere als Zeichen von Verwahrlosung und Verfall ansehen, ist für den Spaziergangsforscher eine Verlockung: eine Landschaft in der Stadt, die sich ständig verändert, wo möglich ist, was anderswo Parkordnungen und sonstige Vorschriften verbieten: Hier können Kinder Baumhäuser bauen und Schaukeln aufhängen, können Entdecker eigene Trampelpfade bahnen. Es ist eine Landschaft, die in ihrer Dynamik zu der Stadt passt, die sie umgibt - einer Stadt, die ihrer Zeit in mancher Hinsicht voraus ist.

Leipzig ist ein Labor für die Zukunft. Hier wie in anderen ostdeutschen Städten lässt sich beobachten, was vielen westdeutschen Metropolen noch bevorsteht - in 20, 30 Jahren, wenn infolge des demographischen Wandels die Bevölkerungszahlen sinken werden. Leipzig hat seit der Wende über 80 000 von ehemals 580 000 Bewohnern verloren - durch Abwanderung in den Westen oder auch ins Umland. Obwohl die Einwohnerzahlen seit 2001 wieder leicht steigen, stehen derzeit gut 50 000 Wohnungen leer, viele weitere sind abgerissen worden. Wo sich früher geschlossene Häuserblocks erstreckten, klaffen jetzt immer größere Lücken. Die Stadt droht auseinander zu brechen in einzelne, voneinander isolierte Siedlungs-Schollen.

Was soll aus den neuen Brachen werden? Für Leipzigs Stadtplaner ist klar: Grün muss drauf. Keine reine Wildnis allerdings, die viele als bedrohlich und abschreckend empfinden, sondern Parks. Stadtparks eines neuen Typs, den es in den nächsten Jahren zu erfinden gilt.

Bei dem Wort "Stadtpark" haben die meisten sofort ein klares Bild vor Augen. Weite Rasenflächen, die von gepflegten Blumenrabatten gesäumt sind. Einzeln stehende Bäume vor sorgfältig arrangierten Strauch-Gruppen. Der Volkspark, so wie wir ihn kennen, ist eine Erfindung des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Es waren deutsche Gartenreformer wie Erwin Barth, Ludwig Lesser oder Leberecht Migge, die erstmals Grünflächen zum öffentlichen Nutzen anlegten - um den Bewohnern moderner Arbeiterviertel mit ihren verbauten Hinterhöfen neue Freiräume zu eröffnen. Während der Planungen für den Hamburger Stadtpark schrieb Leberecht Migge 1908: "Der praktische Zweck eines Parks ... ist Lustwandeln und Tummeln, ist Sonne und Schatten, gute Luft. Der schönere Sinn des Parkes ... ist der Genuss der Vegetation, ist Freude am Leben, ist Wachsen - ist Schönheit." Migge wollte die Hamburger Bürger spielen, turnen und planschen sehen, und nicht zuletzt wollte er ihre Sinne und ihren Kunstverstand schulen.

Der Hamburger Volkspark, der Englische Garten in München, die Bremer Wallanlagen oder der Leipziger Clara-Zetkin-Park - diese und andere "klassische" Parks werden auch in Zukunft das Bild vieler deutscher Städte prägen. Schon weil es auch in einem schrumpfenden Deutschland weiterhin Ballungsgebiete mit knappen Freiflächen geben wird. Doch als Modell für zukünftige Grünanlagen taugen traditionelle Parks kaum - einfach, weil sie viel zu pflegeintensiv sind.

Die Stadt Leipzig hat im Etat 2004 für 844 Hektar öffentliches Grün, Spielplätze und Straßenbäume gerade 8,8 Millionen Euro vorgesehen. Rasenflächen werden nur noch an Wegrändern regelmäßig gemäht, Blumenbeete sind in den letzten fünf Jahren um die Hälfte reduziert worden.

Doch alles Sparen reicht nicht. Denn bei weiterhin sinkenden Einnahmen wächst die Zahl der Flächen, die eigentlich von Grund auf neu gestaltet werden müssten.

Was tun mit Stadtgelände, das keiner mehr nutzen will? Eine Region hat beispielhaft gezeigt, wie man riesige Lücken im Siedlungsgefüge nachhaltig revitalisieren kann. Im Ruhrgebiet entstanden seit den 1980er Jahren durch den Verfall von Kohle- und Stahlindustrie rund 10 000 Hektar Brachflächen - verteilt über 17 Städte zwischen Duisburg und Bergkamen.

Diesen Flächen-Gürtel in eine organische Parklandschaft zu verwandeln - das schien anfangs so aussichtsreich wie der Versuch, einen Dinosaurier zum Leben zu erwecken. Aber es gelang - auch, weil sich Politiker und Planer über Stadtgrenzen hinweg auf ein gemeinsames Konzept verständigten.

Das Ergebnis ist der Emscherpark, 320 Quadratkilometer Erholungs-, Erlebnis- und Naturfläche entlang dem einstigen Abwasserkanal des Reviers.

Die Parkmacher nutzten, was sie vorfanden, damit die Menschen wieder Besitz ergreifen konnten von scheinbar totem Land. Rund um die Hochofenruinen des stillgelegten Thyssen- Stahlwerks in Duisburg-Nord entstand ein Landschaftspark, in dem grünt und blüht, was gemeinhin als "Unkraut" gilt. In einem ehemaligen Gasometer lassen sich Taucher in die Tiefe sinken, Kletterer kraxeln durch Erzbunker. Aus der Essener Zeche Zollverein wurde ein Design- und Veranstaltungszentrum mit Schlittschuhbahn, und auf den benachbarten Abraumhalden ragt Kunst empor: der "Tetraeder" etwa, eine begehbare Pyramide, die zum neuen Wahrzeichen von Bottrop wurde, oder die knapp 15 Meter hohe Walzstahl-Bramme von Richard Serra auf der Essener Halde Schurenbach.

Skulpturen, Halden, Fördertürme - das sind die "Landmarken", die den Park zusammenhalten. Etwa die Hälfte des Geländes ist mittlerweile landwirtschaftliche Fläche. Dazwischen erstrecken sich ehemalige Zechen- oder Hüttenareale, die niemand mehr bepflanzen will, wo sich auf Schotter, Asche und ausgeglühtem Mergel Wald ausbreitet. Es ist ein robuster, artenreicher und ungeordneter Wald, der zu den verwitternden Industriekulissen passt.

Die Park-Planer haben nicht versucht, die geschundene Ruhrgebietslandschaft zu verschönern, ihre Wunden zu kaschieren - sie haben sie, mit behutsamen Eingriffen, ihr eigenes Gesicht entwickeln lassen.

Längst hat sich der Emscherpark zu einem Markenzeichen des Reviers entwickelt.  Als Vorbild für andere von Strukturwandel betroffene Regionen taugt er allerdings nur bedingt, schon deshalb, weil seine Planer eine eher seltene Ausgangssituation vorfanden: Sie konnten von Anfang an über ein riesiges, mehr oder weniger zusammenhängendes Flächenareal verfügen. In schrumpfenden Städten wie Leipzig ist das anders. Hier verteilen sich die Brachen wie ein Archipel über das gesamte Siedlungsgebiet. Und weil es weniger große Industrieunternehmen sind, die Flächen freimachen, als vielmehr private Grundstücksbesitzer, kann niemand vorhersagen, wann und wo sich in den nächsten Jahren neue Lücken auftun werden.

Die"Perforierung" Leipzigs beginnt bereits in den alten Arbeitervierteln wenige hundert Meter abseits der Stadtmitte. Die neu entstehenden Grünflächen sollen "der soziale Kitt sein, der die Stadt zusammenhält" - so die Wunschvorstellung von Stadtbaurat Engelbert Lütke Daldrup. "Wie diese Flächen aussehen werden, hängt allerdings stark von den Leipzigern selbst ab." Zum Beispiel von Menschen wie Klaus Jentzsch.

Der 66-Jährige in der blauen Arbeitshose beugt sich über seine Gemüsekisten, greift Salatköpfe heraus und wirft sie auf die Wiese zwischen Dieskaustraße und Windorfer Straße. Noch vor sechs Jahren lag hier ein Schuttplatz, voll gerümpelt mit Autos, Steinen und sieben Kubikmetern Bierdosen. Heute leben auf dem 2800 Quadratmeter großen Areal im Leipziger Westen acht Ziegen, 60 Meerschweinchen, 40 Hühner und etliches andere Kleingetier.

Klaus Jentzsch ist zwar nur Zoobesitzer auf Abruf, das aber auf vertraglicher Basis. Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), Eigentümerin des Grundstücks, hat ihm die Fläche kostenlos zur Verfügung gestellt - mit der Auflage, sie in Ordnung und im Winter von Schnee freizuhalten. Sollte die LWB das Areal wieder nutzen wollen, müsste Jentzsch mit seinen Tieren innerhalb weniger Wochen verschwinden. Aber damit muss er in absehbarer Zeit nicht rechnen.

Der Streichelzoo an der Dieskaustraße ist kein Stadtpark im engeren Sinne, aber in jedem Fall ein Zukunftsmodell - für Städte, deren Schrumpfung sich so schleichend vollzieht, dass großräumige Grünplanung kaum möglich ist. Das verhindert große, visionäre Entwürfe, aber es eröffnet auch Freiräume für Eigeninitiativen.

Was lässt sich nicht alles anlegen, anpflanzen, zum Gedeihen bringen auf ein paar hundert Quadratmeter Baulücke. Obstplantagen! Picknickfelder! Pferdekoppeln, Sonnenblumenfelder, vielleicht sogar Stadtteilwälder mit Baumhäusern! In den Köpfen der Planer wächst bereits ein ganzes Sortiment blühender Klein-Landschaften heran. Damit zumindest einige davon Gestalt annehmen, werden in Leipzig Stadtteilmoderatoren eingesetzt. Sie bringen Eigentümer an einen Tisch und entwickeln gemeinsam mit ihnen und den Anwohnern Nutzungskonzepte. Wie das funktioniert, lässt sich bereits in Sanierungsgebieten wie Lindenau beobachten: Dort haben sich ehemalige Schutthalden binnen weniger Monate in lebendige Klein-Parks verwandelt, mit Spielplätzen und Kräutergärtchen. Um Gestaltung und regelmäßige Pflege kümmern sich Anwohner - ehrenamtlich natürlich.

Um sämtliche Siedlungslücken einer Großstadt wie Leipzig in ansehnliche Grünanlagen zu verwandeln, wären allerdings Hundertschaften von Freizeitgärtnern nötig. So viele werden sich, selbst bei engagiertester Stadtteilmoderation, wohl nicht finden. Deshalb werden noch andere Wege verfolgt, um Ordnung in Leipzigs Brachen-Archipel zu bringen. Karsten Gerkens, Leiter des Amts für Stadterneuerung, bietet Eigentümern verfallender Häuser Fördermittel an, wenn sie freiwillig abreißen - und so zur Entstehung größerer Freiflächen beitragen. Anfangs wurde Gerkens belächelt. Doch seit die Leerstände unaufhaltsam wachsen, steigt auch die Nachfrage Abrisswilliger beständig. Rund 140 000 Quadratmeter neue Freiflächen sind seit 1999 entstanden. Gerkens Fernziel ist es, vor allem in Randlagen neue, zusammenhängende Grünzüge zu schaffen, die verbleibende "Stadtschollen" wie Brücken verbinden sollen.

Für Gestaltung und Pflege dieser neuen Grünzüge ist natürlich kein Geld da. Und darum werden die Leipziger in Zukunft schätzen lernen müssen, was die Stadtplanerin Astrid Heck den "Luxus der Weite" nennt: glatte Wiesenflächen etwa, wie im Stadtteilpark Plagwitz, der auf dem Gelände eines ehemaligen Industriereviers angelegt wurde. Oder Anpflanzungen wie den "Dunklen Wald" an der Wurzner Straße. Bald werden geschlossene Baumreihen aufragen, wo einst Häuserfronten standen.

Es gibt noch ganz andere Möglichkeiten, wilde Natur als Mittel der Stadtgestaltung einzusetzen. Das wird derzeit nirgends so konsequent und großräumig versucht wie in Berlin. Zu viel Grün, zu wenig Grün - Berlin hat beides und mit beidem seine Probleme. Während sich im Tiergarten an schönen Tagen die Besuchermassen drängen und dichte Grillrauchschwaden über den Rasenflächen hängen, macht sich draußen am Stadtrand ungenutzter Wildwuchs breit. Bis 2015 wird die aufgelassene Friedhofsfläche auf 700 Hektar angewachsen sein, dazu kommen die bald geschlossenen Flughäfen Tegel und Tempelhof. Macht zusammen eine Fläche von der vielfachen Ausdehnung des Tiergartens.

Im Stadtzentrum sind die neuen Freiräume willkommen, nicht zuletzt, weil sie die bestehenden Stadtparks entlasten könnten. Aber niemand weiß bisher, was mit den vielen toten Winkeln im Einzugsbereich der ehemaligen Ost- West-Grenze passieren soll.

Vielleicht passiert erst mal gar nichts.

Und das ist gar nicht so schlimm. "Wir wollen die Kraft der Natur zeigen", sagt Rita Mohrmann von der Bürgerinitiative "Südgelände". Ihre Schritte hallen wider auf dem eisernen Steg, der durch den Natur-Park am Rand von Berlin-Schöneberg führt. Auf dem alten Bahngelände, das seit Kriegsende mehr oder weniger ungestört zugewuchert ist, haben engagierte Anwohner mithilfe der Stadt einen Park geschaffen, der jedes Jahr rund 60 000 Besucher anzieht. Birkenschösslinge und Hundsrosen brechen durch die Gleisbetten des ehemaligen Rangierbahnhofes, mannshohe Goldruten streifen einem beim Vorbeigehen übers Gesicht. 366 Farn- und Blütenpflanzenarten haben Biologen auf dem 1,5 Kilometer langen Areal entdeckt, 95 verschiedene Bienenarten brummen durch die Luft, die nach wildem Apfel duftet.

Es ist keine reine Wildnis, die sich hier ausbreitet. Die Berliner haben die über 50 Jahre unkontrollierte Natur mit den Regeln der klassischen Gartenkunst gezähmt. Sie haben breite Sichtachsen durch Buschwerk und Walddickicht geschlagen, haben eine alte Lokomotive, die Drehscheibe und den rostigen Wasserturm als Fixpunkte und Landmarken stehen lassen. Die Wege, die zum Teil im alten Gleisbett verlaufen, führen so durch die Landschaft, dass das Auge hinter jeder Biegung neue Ziele erfasst - und zugleich stets Orientierung findet.

Was am Rand von Schöneberg über Jahrzehnte herangewachsen ist, wird anderswo gezielt angelegt. In Marzahn etwa, der größten Plattenbausiedlung Europas, die zwischen 1993 und 2000 rund 35 000 Einwohner verloren hat. Bis zu 5000 Wohnungen sollen dort in den nächsten Jahren abgerissen werden. Um Verödung und Zerfall des Wohnquartiers zu verhindern, soll sich auf den neuen Brachen eine besondere Art von Wildwuchs ausbreiten: Prärie. Der mannshohe, dichte Gräserteppich erfüllt alle Anforderungen an modernes Stadtgrün: Er ist übersichtlich und pflegeleicht, trotzt Stürmen und Frost ebenso wie extremer Trockenheit. Und im Sommer verwandelt er sich in ein vielfarbiges Blütenmeer.

Prärie ist allerdings kein Dauerzustand, sie wird allmählich von Buschwerk und Bäumen verdrängt, wenn sie nicht regelmäßig gepflegt wird.

Aber die Stadtparks der Zukunft werden ohnehin selten für die Ewigkeit entworfen - in Deutschland ebenso wenig wie anderswo. Moderne europäische Grünplaner begreifen Landschaft zunehmend als lebendigen Organismus, und ihre Entwürfe schreiben keinen Endzustand fest, sondern skizzieren ein Provisorium, das ständigen Veränderungen unterworfen ist.

Beispiel Zuera, Nordspanien: Hier entstand am Ufer des Flusses Gallego ein Park, der im Halbjahresrhythmus sein Gesicht wandelt. Im Sommer und Herbst dient er als Erholungs- und Freizeitfläche sowie als Stierkampfarena, im Frühjahr und Winter als Aue, auf die das Hochwasser natürlichen Dünger und neue Pflanzen heranschwemmt. Beispiel Paris: Im "Parc André Citroën" zeigt der Landschaftsplaner Gilles Clément, dass dynamische Natur auch im Zentrum von Großstädten ihren Platz haben kann. Sein "Jardin en Mouvement" wechselt wie eine Brache ständig seinen Bewuchs, der von Gärtnerhand nur dann und wann behutsam reguliert wird.

Einige der neuen Landschaftsplaner gehen noch einen Schritt weiter: Sie räumen nicht nur der Natur, sondern auch den Nutzern ihrer Parks ein Recht auf Mitgestaltung ein. Beispiel Utrecht: Für den Park "Hoge Weide", der auf einer ehemaligen Müllkippe entsteht, haben die Architekten ausdrücklich keinen fertigen Entwurf vorgegeben, sondern nur Leitlinien, die im offenen Dialog mit den Anwohnern weiterentwickelt werden.

In diesem wie auch in anderen neuen Parks sollen Besucher nicht nur passive Betrachter sein, sondern zu Forschern und Entdeckern werden. In der Zeitschrift "Topos" schreiben Bart Brands und sein Kollege Karel Loeff: "Wir sehen es als Schreckgespenst, dass große Scharen von Kindern aufwachsen in adretten Neubaugebieten, ausgestattet mit polizeilichem Prüfsiegel, versehen mit den Gütezeichen von Gesundheits- und Frauenratskommissionen . . . glatt gebügelte Viertel ohne Räume für Eigeninitiative." Was moderne Landschaftsplaner formulieren, liest sich oft wie ein Aufruf zur Rückeroberung der Städte durch ihre Bewohner. Die Menschen sollen jene öffentlichen Räume wieder vereinnahmen, aus denen sie im Laufe der letzten Jahrzehnte zusehends verdrängt wurden - durch Verdichtung, Verkehrsfluten und nicht zuletzt durch bevormundende Grünplaner.

So vehement, so radikal diese Forderungen klingen - sie knüpfen an bewährte Traditionen an. Der Erfolg der großen alten Volksparks beruhte letztlich auf einem schlichten, auch heute noch (oder wieder) gültigen Grundsatz: Man muss die Leute mögen, für die man plant; man muss "das Volk" so akzeptieren, wie es ist. Die Gestalter zukünftiger Parks können sich getrost an das halten, was der Berliner Landschaftsarchitekt Ludwig Lesser schon 1920 feststellte:

Die Volksparks würden "ihren wirklichen Zweck erst dann ganz erfüllen können", schrieb er, wenn in ihnen "das fröhliche Jauchzen der Bevölkerung" zu hören sei.

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